2140612-Pano_n_Blogheader-1
Julia

Julia

Wintercamping bei knapp -30 Grad – die kälteste Nacht meines Lebens

Stille Dunkelheit umgibt mich. Meine Gedanken wandern, denn viel bewegen kann ich mich nicht – ich liege in meinem Zelt, eingerollt in zwei Schlafsäcke und unter drei Mützen. Und frage mich: wie bin ich nochmal auf die Idee gekommen, bei vorhergesagten -28 Grad zelten zu gehen? Und wie wird wohl die Nacht? Aber der Reihe nach…

Rotes Zelt im Winter auf Skitour, Wintercamping
Mein erste Skicamping Tour im Januar 2020

Von Skicamping bis Sturmnacht – wie alles begann

Wintercamping hat mich in den letzten Jahren zunehmend fasziniert. Die Stille auf dem Berg – denn man trifft selten andere Camper – die Grenzerfahrung am eigenen Körper. Zu schauen wie ich und mein Material funktionieren, wenn kein warmer Sommerwind weht. Der Reiz, die eigenen Limite zu testen, sich den Naturgewalten auszuliefern. Mit sich zu sein und seinen Gedanken. So erlebte ich schon eine ohrenbetäubende Sturmböen-Nacht allein auf dem Chäserrugg, in der sogar meine Isomatte im Zelt wackelte. Und erfüllte mir Anfang 2020 auf meiner 5ten Skitour bereits meinen Traum, mit Ski und Rucksack aufzusteigen und im grandiosen Winterpanorama zu zelten – dieses Erlebnis konnte ich mit Vivian teilen. Die Erfahrungen von dort habe ich in diesem Blogbeitrag festgehalten.

Zelt im Härtetest bei Sturmböen und 15cm Neuschnee im Februar 2021

Grenzerfahrungen: Raus aus der Komfortzone!

Dieses Jahr nun wollte ich noch einen Schritt weiter gehen – und Sturm, heftigen Schneefall und eisige Temperaturen im Zelt erleben. Als Ort für diese Grenzerfahrung wählte ich dieses Mal jedoch einen Ort, der mir im Notfall eine Rückzugsmöglichkeit bot – bei solchen Temperaturen ist es nicht lustig, wenn etwas schief geht. So fiel meine Wahl schnell auf den Naturcamping Morteratsch, dessen naturbelassene, weite Flächen zwischen Bäumen wunderschöne Zeltmöglichkeiten bieten. Während das erste Februarwochenende dort noch ganz im Zeichen von Sturmböen und 15cm Neuschnee stand und mein Ein-Personen-Zelt an seine Grenzen brachte, versprach das zweite Wochenende ein ganz anderes Szenario – die tiefste Temperatur im Engadin in diesem Winter laut Meteoschweiz. Die perfekte Vorbereitung also für die weiteren geplanten Winternächte draussen – denn wen schrecken noch -10 Grad auf einem Gipfel, wenn man erst eine Nacht mit -30 Grad überstanden hat?

Das Experiment

So machte ich mich am Samstag auf Richtung Morteratsch – bepackt mit ca. 17kg Rucksack, Tourenski und Boots. Nachdem ich dort Noemi getroffen hatte, die meine Passion für Wintercamping teilt, schnallte ich die Ski an und präparierte den Boden für unsere Zelte – eindeutig der schnellere Weg als Schneeschippen. Trotzdem dauerte es gut zwei Stunden, bis unsere Zelte sicher verankert standen. Dabei biss uns die Kälte bereits ins Gesicht – sie lag schon bei unter -10 und fiel kontinuierlich – und die feuchte Luft gefror beim Atmen in unseren Nasen. Nach dem Znacht ging es los: raus zum Zeltplatz, kurz die Sterne bewundern und dann warmspringen und die Matte nochmals nachpumpen. Denn mit der Kälte zieht sich die Luft zusammen und die Matte wird kontinuierlich schlaffer. Dann schnell in meine zwei ineinander gelegten Schlafsäcke und die Flasche mit heissem Wasser zwischen die Beine. Mit Daunensocken und Vapor Linern an den Füssen, Wärmehose an den Beinen und 6 Lagen am Körper hoffte ich, für die Nacht gewappnet zu sein. Nachdem auch Kamera, Powerbank und Co. – einfach alles, was nicht einfrieren darf – in den Schlafsäcken verstaut war und die Daunenkapuze sass blieb nur noch, die Kordelzüge um den Hals zu schliessen und einzuschlafen.

Und wie war's? Der Morgen danach

Während ich sonst immer in meinen Schlafsäcken im Winter immer viel zu warm habe, merkte ich in dieser Nacht schnell, dass ich wirklich eine Grenze erreicht hatte. Mein Körper hatte gerade so eine angenehme Temperatur, meine Zehen waren dagegen die ganze Nacht zu kalt. Hier freue ich mich für mein nächstes Abenteuer auf die Camp Booties, die mir Exped zur Verfügung stellt. Danke dafür! Mit einer weiteren Thermojacke um meine Füsse und meiner Wärmeübung, die ich im Survival Training  gelernt hatte gelang es mir jedoch, dass die Nacht im Schlaf verging – wenn auch in leichterem Schlaf als sonst. Als dann das erste Licht das Zelt erhellte war es dann da, das Wissen: auch extrem kalte Nächte sind für mich ab jetzt möglich! Der erste Griff ging zum Thermometer im Zelt und zeigte mir -26 Grad Innentemperatur. Später erfuhr ich, dass aussen auf dem Platz minus 29.4 und in Pontresina von Meteo Schweiz -30.5 Grad gemessen wurden. Als schliesslich die ersten Sonnenstrahlen über den Berg kamen und die klirrend kalte Landschaft in warmes Licht tauchten gaben sich meine Freude und mein Stolz die Hand: Es gibt für mich wohl kaum ein schöneres Gefühl als die eigenen Grenzen zu verschieben und danach im Winterparadies in den Bergen aufzuwachen!

Disclaimer: Dieser Beitrag ist in keiner Weise gesponsert. Das Equipment wurde selbst bezahlt.

Folge meinen Erlebnissen auf Social Media:

Post teilen via:

7 Gedanken zu „Wintercamping bei knapp -30 Grad – die kälteste Nacht meines Lebens“

  1. Sehr Cool. Kürzlich wollte ich unsere neuen Daunenschlafsäcke (Komfort bis -10) ausprobieren, und zeltete dazu bei -5 im Garten. Da meine Frau das verrückt fand, fragte ich die Kinder ob jemand mitkommt. Die wollten schon, aber meine Frau fand, das wäre Kindesmisshandlung und die würden dabei sterben.

    1. Find ich super dass du es ausprobiert hast – so wird das alte «verrückt» am schnellsten zum neuen «normal» 😉 Und ein Rückzugsort wenns zu kalt wird ist immer eine gute Idee, der Garten also perfekt. Hoffe also die Schlafsäcke haben gehalten 🙂

      1. Ja ich hatte eher zu warm als zu kalt. Um die Isolation zu maximieren hatte ich zuerst einen Seiden-Liner, dann Vapor-Barrier, dann Daunen-Schlafsack, und zum Schluss einen leichten Biwak-Sack. Da ich nicht wollte dass der Schlafsack feucht wird, habe ich gut darauf geachtet, dass die Luft vom Ausatmen nicht unter den Biwaksack geblasen wird. Trotzdem war am Morgen erstaunlich viel Feuchtigkeit zwischen Biwaksack und Schlafsack. Ein Kollege sagte mir dass der Biwaksack aus diesem Grund im Zelt eher hinderlich ist.
        Was sind Deine Tipps um den Schlafsack trocken zu halten?

          1. Der Biwacksack ist ein ultraleichter von Ortovox. Ich glaube nicht dass er atmungsaktiv ist. Der fühlt sich an wie eine Plastikfolie.
            Eigentlich habe ich erwartet, mit der VaporBarrier wäre es dann innen unangenehm feucht. Das war aber nicht der Fall.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

More posts:

Wintersurvival: 50 Stunden fernab der Zivilisation

Ich schrecke auf. Es ist stockdunkel. Eine eisige Bise hat mir Schneekristalle ins Gesicht geblasen. Bin ich davon aufgewacht? Dann höre ich es wieder – ganz in der Nähe meines Schlafsacks. Ein leises Knirschen im Schnee – doch sehen kann ich nichts. Es ist tiefer Winter, das Thermometer zeigt -8 Grad.

Mehr lesen »

Voll Ver-Rockt: in der Nässe unterwegs mit Regenrock

Plopp. Plopp. Erste Regentropfen fallen auf mein Gesicht, während ich im Abstieg vom Zeltplatz der letzten Nacht bin. Dann verwandelt sich der langsame Rhythmus schnell in ein Stakkato und der Regen rauscht auf mich nieder. Ich zücke meine kleine Geheimwaffe – meinen Regenrock. Erm, bitte was? Einen Rock?

Mehr lesen »